Wenn man Atome stark abkühlt und viele von ihnen auf kleinem Raum zusammensperrt, werden sie plötzlich ununterscheidbar: Sie verhalten sich dann wie ein einziges Super-Teilchen. In der Physik spricht man auch von einem Bose-Einstein-Kondensat oder Quantengas. Photonen lassen sich nach einem ähnlichen Prinzip kondensieren. Für die nötige Abkühlung sorgen in der Regel Farbstoff-Moleküle. Diese wirken wie kleine Eisschränke: Sie verschlucken „warme“ Lichtteilchen und spucken sie anschließend passend temperiert wieder aus.
„Wir haben in unserem Experiment einen winzigen Behälter mit einer Farbstoff-Lösung gefüllt“, erklärt Dr. Julian Schmitt vom Institut für Angewandte Physik der Universität Bonn. „Die Seitenwände des Behälters waren verspiegelt.“ Die Forscher regten die Farbstoff-Moleküle mit einem Laserstrahl an. Diese produzierten daraufhin Photonen, die zwischen den Spiegeln hin und her geworfen wurden. Weil die Lichtteilchen dabei immer wieder mit einem Farbstoffmolekül kollidierten, wurden sie weiter heruntergekühlt. Schließlich kondensierten sie zu einem Quantengas.
Super-Photonen flackern wie eine Kerze
Doch auch danach dauerte dieser Prozess noch an: Immer wieder stießen einzelne Lichtpartikel aus dem Super-Photon mit dem Farbstoff zusammen, wurden von ihm verschluckt und anschließend wieder ausgespuckt. Das Quantengas bestand also mal aus mehr, mal aus weniger Lichtteilchen - es flackerte wie eine Kerze. „Wir haben dieses Flackern genutzt, um damit erstmals die Gültigkeit eines wichtigen physikalischen Gesetzes in einem Quantensystem zu untersuchen“, sagt Schmitt.
Die Rede ist vom sogenannten Regressions-Theorem. Was es besagt, lässt sich am einfachsten an einem Beispiel nachvollziehen: Mal angenommen, das Super-Photon sei ein Lagerfeuer, das manchmal per Zufall besonders hoch auflodert. Auch dann flackert es noch, aber besonders hell. Danach brennen die Flammen langsam wieder herunter, und das Feuer kehrt zu seinem Ausgangszustand zurück. Man kann das Lodern auch gezielt hervorrufen, indem man Luft in die Glut bläst. Das Regressions-Theorem besagt in einfachen Worten, dass das Feuer dann genauso wieder herunterbrennt, als wäre das Lodern per Zufall entstanden. Es antwortet auf eine gezielte Störung also exakt auf dieselbe Weise, wie es auch ohne Störung fluktuiert.
Luft ins Photonen-Feuer geblasen
„Wir wollten nun wissen, ob dieser Zusammenhang auch bei Quantengasen gilt“, erklärt Schmitt, der auch Mitglied im Transdisziplinären Forschungsbereich (TRA) „Bausteine der Materie“ und im Exzellenzcluster „Matter and Light for Quantum Computing“ der Universität Bonn ist. Die Forscher haben dazu eine Methode entwickelt, mit der sie das Flackern des Super-Photons messen können. Damit zeichneten sie zunächst die statistischen Fluktuationen auf. Dann bliesen sie - bildlich gesprochen - Luft ins Feuer, indem sie das Super-Photon kurz mit einem weiteren Laser bestrahlten. Nach dieser Störung loderte es kurzfristig auf und kehrte dann langsam zum Ausgangszustand zurück.
„Wir konnten nachweisen, dass diese Antwort genau derselben Dynamik folgt wie die statistischen Fluktuationen, die ohne Störung auftreten“, sagt der Physiker. „Damit haben wir erstmals gezeigt, dass das Theorem auch für diese exotischen Materieformen gültig ist.“ Interessanterweise gilt das sogar bei sehr starken Störungen. Systeme reagieren darauf in der Regel anders als auf schwache Störeinflüsse - ein extremes Beispiel dafür ist etwa eine Eisfläche, die plötzlich bricht, wenn das auf ihr lastende Gewicht zu groß wird. „Wir sprechen dann von einem nichtlinearen Verhalten“, sagt Schmitt. „Doch auch in solchen Fällen galt das Theorem, wie wir in Zusammenarbeit mit Kollegen der Universität Antwerpen zeigen konnten.“
Dieser Nachweis ist für die Grundlagenforschung von großer Relevanz. Denn oft ist bei der Arbeit mit photonischen Bose-Einstein-Kondensaten nicht bekannt, wie sie genau flackern. Es ist zudem aufwändig, diese Helligkeitsschwankungen exakt zu messen. Zu bestimmen, wie sich das Super-Photon durch Störungen „aus der Ruhe bringen“ lässt, ist einfacher. „Daraus kann man dann viele unbekannte oder schwer zu messende Eigenschaften sehr kontrolliert ableiten“, erklärt Schmitt. „Auf dieser Basis lässt sich beispielsweise besser vorhersagen, wie ein neuartiges photonisches Material aus vielen Super-Photonen reagieren wird und für welche Anwendungszwecke es sich eignet.“