Die Entdeckung freifliegender, frisch geborener Planeten, die Untersuchung der Kugelsternhaufen-Population nahegelegener Galaxien, die Entdeckung neuer leuchtschwacher Galaxien und Zwerggalaxien in nahen Galaxienhaufen, die Verteilung der Dunklen Materie und der leuchtenden Materie zwischen den Galaxien von Galaxienhaufen und die Untersuchung weit entfernter, mittels Gravitationslinsen vergrößerter Galaxien werden in einer Serie von zehn Veröffentlichungen beschrieben. Zeitgleich mit diesen ersten wissenschaftlichen Ergebnissen veröffentlicht das Euclid-Konsortium heute in fünf weiteren umfangreichen Artikeln die technischen Grundlagen der Mission. Diese zeigen die herausragenden Qualitäten von Euclid und werden auf Jahre hinaus als Referenz für die Analyse der Euclid-Daten dienen.
Alle Veröffentlichungen wurden im Vorfeld bereits im Konsortium gesichtet und diskutiert, um schon vor dem Einreichen zur Begutachtung durch eine Fachzeitschrift ein homogenes Bild und ein einheitlich hohes Qualitätsniveau jeder Publikation sicherzustellen. Das Euclid-Konsortium betreibt zu diesem Zweck ein eigenes Editorial Office, welches unter dem Vorsitz von Prof. Peter Schneider am Argelander-Institut für Astronomie (AIfA) der Universität Bonn angesiedelt ist. Die koordinierte zeitgleiche Einreichung von fünfzehn Artikeln mit zum Teil mehr als eintausend Autoren stellte eine besondere Herausforderung dar. Patrick Simon, der das Editorial Office operativ betreut, freut sich: “Mit diesem Satz von Publikationen präsentiert sich Euclid endgültig der breiten wissenschaftlichen Öffentlichkeit. Die Referenzpublikationen geben eine umfassende Beschreibung aller Aspekte der Mission, und die erste Analyse der Daten zeichnet ein beeindruckendes Bild vom wissenschaftlichen Potenzial Euclids.”
Referenzpublikationen
Ein Überblick-Artikel beschreibt die wissenschaftlichen Ziele der Euclid-Mission, die technischen Einzelheiten des Satelliten, den Beobachtungsplan, die Datenprodukte, die Pläne zur Datenanalyse und die erwarteten Resultate. Dieser Artikel stellt die Referenz für alle dar, die an den Euclid-Daten und den wissenschaftlichen Ergebnissen interessiert sind. Yannick Mellier, Leiter des Euclid-Konsortiums, unterstreicht: “Diese Arbeit fasst all die herausragenden Ergebnisse der mehr als zehnjährigen Entwicklungszeit zusammen. Euclid übertrifft bereits jetzt unsere Erwartungen und wird die Erforschung nicht nur des dunklen Universums, sondern beinahe aller Bereiche der Astronomie an vorderster Front vorantreiben.”
Drei Veröffentlichungen beschreiben detailliert die Spezifikationen, das Design, die Entwicklung und die Aufgaben der wissenschaftlichen Instrumente von Euclid. Die VIS-Kamera (für “visual” = ”sichtbar”) ist eine 609-Megapixel-Kamera, die im sichtbaren Licht arbeitet; das NISP-Instrument (für “nah-infrarot Spektrometer und Photometer”) bildet infrarotes Licht in mehreren Wellenlängenbereichen ab und kann zudem spektroskopisch beobachten. Die Kombination dieser beiden Kameras stellt die Kernkompetenz von Euclid dar. Erste Tests haben gezeigt, dass beide Instrumente die Erwartungen voll erfüllen. Sie werden über die kommenden Jahre exzellente Daten liefern, um die großskaligen Strukturen im Universum und ihre Entwicklung abzubilden. Dies soll beispielsweise helfen, die Natur der Dunklen Energie weiter zu erforschen oder die Gültigkeit der Allgemeinen Relativitätstheorie bei großen Entfernungen zu testen.
Die fünfte Publikation beschreibt den “Flagship”-Galaxienkatalog, einen simulierten Katalog von Milliarden von Galaxien. Dieser basiert auf der Flagship-Simulation des Euclid-Konsortiums, der größten jemals ausgeführten kosmologischen Simulation. Ursprünglich entwickelt, um im Vorfeld des Missionsstarts die wissenschaftliche Analyse der Euclid-Daten vorzubereiten und zu testen, werden diese Simulationen nun verwendet, um mögliche systematische Messfehler in den Daten zu identifizieren und zu korrigieren.
Erste wissenschaftliche Bilder, Analysen und Publikationen
In den ersten Monaten der Euclid-Mission, noch während der Test- und Einrichtungsphase, wurden einige ausgesuchte Ziele beobachtet, welche die Brillanz der Aufnahmen und das vielfältige wissenschaftliche Potenzial der Euclid-Daten demonstrieren sollten. Insgesamt wurden vierundzwanzig Stunden auf diese frühen Beobachtungen verwendet. Fünf Aufnahmen wurden bereits im November 2023 veröffentlicht, einen weiteren Satz veröffentlicht die ESA heute, am 23. Mai 2024.
Das Euclid-Konsortium konnte bereits eine erste wissenschaftliche Analyse einiger dieser frühen Aufnahmen (“Early Release Observations”, ERO) durchführen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden heute der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und demonstrieren die breite Vielfalt an astronomischen Untersuchungen, die durch Euclid möglich werden.
Bei den Untersuchungen wurden frei fliegende, gerade erst entstandene Planeten in Sternentstehungsregionen entdeckt; die Struktur ausgewählter Kugelsternhaufen der Milchstraße konnte bis in die äußeren Randbereiche vermessen werden; die detaillierte Morphologie und Zusammensetzung einger naher Galaxien wurde untersucht; die Verteilung von Kugelsternhaufen im Fornax-Galaxienhaufen konnte mit bislang unerreichter Genauigkeit vermessen werden. Die Untersuchung des nahen Perseus-Galaxienhaufens führte zu einer Verdoppelung der bekannten Zwerggalaxien und zur Entdeckung, dass Sterne und Kugelsternhaufen im freien Raum zwischen den Galaxien mit einem Drittel zur Leuchtkraft des Haufens beitragen. Die Beobachtung zweier Gravitationslinsenhaufen führte nicht nur zur Entdeckung stark verzerrter Hintergrundobjekte, sondern auch zur Identifikation von neunundzwanzig Kandidaten für Galaxien aus der frühesten Epoche unserers Universums.
“Die Leistungsfähigkeit von Euclid zeigt sich in der Kombination aus dem außerordentlich großen Bildfeld, der sehr stabilen Optik und der breiten spektralen Abdeckung vom Optischen bis ins Nah-Infrarote. Das erlaubt es uns, die unterschiedlichsten Objekte und Skalen in einer einzigen Aufnahme einzufangen. Die ERO geben nur einen kleinen Vorgeschmack auf die zu erwartenden Ergebnisse der Euclid-Mission”, betont Reiko Nakajima vom AIfA der Universität Bonn, die als Instrument-Wissenschaftlerin verantwortlich für die Bildqualität des optischen VIS-Instruments ist. Tatsächlich konnten all diese spektakulären Beobachtungen bereits innerhalb eines kurzen Zeitraumes gemacht werden, der weniger als 0,1% der gesamten geplanten Beobachtungszeit von Euclid ausmacht.
Alle fünfzehn Publikationen werden ab morgen auf dem Preprint-Server arXiv veröffentlicht. Nach Abschluss der fachlichen Begutachtung erscheinen sie dann auch in einer Sonderausgabe der Fachzeitschrift “Astronomy & Astrophysics”. Die ERO-Aufnahmen werden zusammen mit den Originaldaten von der ESA zum Download bereitgestellt.
Zukünftige geplante Meilensteine der Euclid-Mission
Die nächsten geplanten Datenveröffentlichungen des Euclid-Konsortiums werden die Kernziele des Projekts zum Inhalt haben: Ein erster öffentlicher Zugang zu den regulären wissenschaftlichen Daten wird mit einem “Quick Release” im Frühjahr 2025 möglich; die Daten des ersten Jahres des regulären Beobachtungsprogramms, der am Ende ein Drittel des gesamten Himmels abdecken wird, sollen im Somer 2026 öffentlich werden. In weiteren Datenreleases in den Folgejahren werden dann sukzessive die jeweiligen Projektfortschritte öffentlich zugänglich gemacht, bis zur Vollendung des nominellen Beobachtungsprogramms im Jahr 2031.
Das Euclid-Konsortium
Das Euclid-Konsortium verantwortet zusammen mit der Europäischen Weltraumagentur (ESA) die Planung, den Bau und den Betrieb des Weltraumteleskops Euclid. Ziel des Projekts ist die Kartierung der dunkelsten Regionen des Himmels über einen Zeitraum von sechs Jahren hinweg. Die umfassenden Daten sollen insbesondere neue Einblicke in die Natur der Dunklen Energie und der Dunklen Materie geben. Das Teleskop wurde am 1. Juli 2023 erfolgreich in den Weltraum gestartet und hat nach einer gut halbjährigen Einrichtungsphase am 14. Februar 2024 mit seinem regulären Beobachtungsprogramm begonnen.
Das Euclid-Konsortium setzt sich aus mehr als 2600 Mitgliedern zusammen, darunter mehr als 1000 aktive Wissenschaftler aus über 300 Forschungsinstituten in 15 europäischen Ländern sowie in Japan, Kanada und den USA.