Mal angenommen, Sie stehen an einem Swimmingpool und kommen auf die Idee, dort noch mehr Wasser einzufüllen. Sie schnappen sich also den Gartenschlauch und erzeugen einen Strahl, der in hohem Bogen auf die Pooloberfläche fällt. Dort, wo der Strahl auftrifft, wird sich der Wasserspiegel kurzzeitig erhöhen. Allerdings nur minimal, weil sich das herabfallende Wasser rasch auf der ausgedehnten Fläche verteilt.
Anders ist es jedoch, wenn Sie mit ihrem Gartenschlauch eine Regenrinne befüllen: Dann entsteht an der Stelle, auf die Sie den Schlauch richten, eine Wasserwelle. Die Wände der Rinne sorgen nun nämlich dafür, dass das eingefüllte Wasser nicht mehr entlang einer Fläche frei wegfließen, sondern sich nur noch in Richtung der Rinne verteilen kann. Die Amplitude der Welle fällt dabei umso höher aus, je schmaler die Rinne ist, je „eindimensionaler“ sie also wird.
Die Physiker am Institut für Angewandte Physik (IAP) der Universität Bonn haben nun in Zusammenarbeit mit Kollegen der RPTU Kaiserlautern-Landau untersucht, ob ähnliche Effekte von Dimensionalität auch für Gase aus Lichtteilchen auftreten. „Um solche Gase zu erzeugen, müssen wir viele Photonen auf kleinem Raum konzentrieren und sie gleichzeitig abkühlen“, erklärt Dr. Frank Vewinger vom IAP, der auch Mitglied im Transdisziplinären Forschungsbereich „Matter“ der Universität Bonn ist.
Mikroskopisch kleine Regenrinnen
In ihrem Experiment füllten die Forscher einen winzigen Behälter mit einer Farbstofflösung, die sie mit einem Laserstrahl anregten. Die dabei erzeugten Photonen wurden dann zwischen den verspiegelten Wänden des Behälters hin und her reflektiert. Immer wenn sie dabei mit einem Farbstoffmolekül kollidierten, wurden sie heruntergekühlt, bis das Photonengas schließlich kondensierte.
Die Dimensionalität des Gases lässt sich beeinflussen, indem man die Spiegeloberflächen modifiziert. Die IAP-Forscher kooperierten dazu mit der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Georg von Freymann von der RPTU. Für die Experimente wurde eine hochauflösende Strukturierungsmethode speziell an die spiegelnden Oberflächen des Photonenbehälters angepasst. „Wir konnten dadurch mikroskopisch kleine Erhebungen aus einem transparenten Polymer auf die Spiegel aufbringen“, erklärt Julian Schulz von der RPTU. „Diese erlauben es uns, die Photonen entweder in einer oder in zwei Dimensionen zu fangen und zu kondensieren.“
„Diese Polymere fungieren also als eine Art Regenrinne, nur eben für Licht“, sagt Kirankumar Karkihalli Umesh, Erstautor der Studie. „Je schmaler wir diese Rinne machen, desto eindimensionaler verhält sich das Gas.“
Thermische Fluktuationen weichen den Kondensationspunkt auf
In zwei Dimensionen gibt es eine genaue Temperaturgrenze, bei der die Kondensation stattfindet – ganz ähnlich wie bei Wasser, das bei exakt null Grad Celsius gefriert. In der Physik spricht man von einem Phasenübergang. „Anders müsste es aber sein, wenn wir statt eines zweidimensionalen Gases ein eindimensionales erzeugen“, sagt Vewinger. „In Photonengasen gibt es sogenannte thermische Fluktuationen. Diese sind in zwei Dimensionen so klein, dass sie nicht weiter stören. In einer Dimension schlagen sie dagegen bildlich gesprochen große Wellen.“
Diese Fluktuationen zerstören die Ordnung in eindimensionalen Systemen, sodass verschiedene Bereiche des Gases sich nicht mehr gleich verhalten. Das sorgt dafür, dass der in zwei Dimensionen noch genau definierte Phasenübergang immer mehr „ausschmiert“, je eindimensionaler das System wird. Dennoch werden seine Eigenschaften, wie auch im zweidimensionalen Fall, durch die Quantenphysik bestimmt - man nennt solche Gase auch quantenentartet. Es ist ungefähr so, als würde Wasser bei niedrigen Temperaturen zu einer Art Eiswasser werden, das jedoch nie vollständig gefriert. „Uns ist es nun erstmals gelungen, dieses Verhalten am Übergang von einem zwei- zu einem eindimensionalen Photonengas zu untersuchen“, erklärt Vewinger.
Die Arbeitsgruppen konnten nachweisen, dass eindimensionale Photonengase tatsächlich keinen scharfen Kondensationspunkt besitzen. Durch winzige Änderungen der Polymer-Strukturen lassen sich nun bis ins Detail Phänomene untersuchen, die auf dem Übergang zwischen verschiedenen Dimensionalitäten beruhen. Momentan handelt es sich dabei um Grundlagenforschung. Möglicherweise erwachsen daraus aber neue Anwendungsmöglichkeiten für quantenoptische Effekte.